Misshandlung: Soziale Distanz birgt Risiko für Kinder
Studien beobachten Zunahme des Missbrauchsrisikos bei Kindern, da viele Familien infolge der Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten. Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen sowie Ausgangssperren tragen u. a. zu einer Isolierung von Kindern und Eltern bei.
Zwei neue Studien, die die Misshandlung von Kindern während der COVID-19-Pandemie untersuchten, kommen laut Forschern der University of Alabama in Birmingham (UAB) und der University of Michigan zu beunruhigenden Ergebnissen. Diese bestätigen, was sich zu Beginn der Pandemie mit ersten Warnzeichen abzuzeichnen begann.
In der ersten Studie – einer nationalen Online-Umfrage unter mehr als 400 Eltern – gaben diejenigen Teilnehmer, die sich Sorgen um ihre Finanzen und andere Probleme im Zusammenhang mit Pandemien machten, bis zu dreimal häufiger an, dass sie ihre Kinder anschreien, schlagen oder vernachlässigen. Die zweite Studie beobachtete 106 Mütter, die über die UAB an einer Langzeitstudie zur Elternschaft teilnahmen. Für Mütter, die beschrieben hatten, dass sie während der Pandemie ihr Kind vermehrt geschlagen, angeschrien oder vernachlässigt hatten, bestand demnach ebenso das größte Risiko, dass sie ihre Kinder auch misshandelten. Für Mütter mit finanziellen Sorgen aufgrund eines Beschäftigungswechsels während der Pandemie ermittelten die Forscher vergleichbar höhere Risikowerte in Bezug auf Kindesmissbrauch. Auch Mütter, die sich während der Pandemie einsamer fühlten, berichteten, dass sie in der Erziehung härter vorgingen, mehr Konflikte auftraten, sie mehr körperliche Strafen anwendeten, ihre Kinder mehr anschrien und eher vernachlässigten.
Gefährlich Kombination: Corona-Pandemie, Arbeitslosigkeit, Isolation und Schulschließungen.
Studienleiterin Professor Christina Rodriguez stellt in der Fachzeitschrift „Psychology Today“ fest, dass COVID-19 „beispiellose und einzigartige Gefahren“ für Kinder mit sich gebracht hat. Dies berichten auch Psychologen, Kinderärzte und Beratungsstellen in Deutschland. Der Neurowissenschaftler Gerald Hüther erklärt, dass Kinder durch die Lockdown-Maßnahmen ihr Gefühl für Bedürfnisse verlieren, die sie aktuell nicht ausleben dürfen – und das in einem vielfach höheren Maß als Erwachsene: Ein Jahr hinterlasse im Hirn eines 7-Jährigen so viele Spuren wie zehn Jahre im Hirn eines 70-jährigen.
Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de
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